Freitag, Juni 06, 2008

EM-Spieler im Fokus. Teil 3: Das Mittelfeld

Morgen beginnt die EM 2008 in Österreich, übermorgen greifen die deutschen Mannen um Michael Ballack in das Turnergeschehen ein. Ballack ist das Herz der Mannschaft, und damit auch das des Mittelfelds, um das es an dieser Stelle gehen soll.

Torsten Frings

Frings hat eine wirklich wechselhafte Saison hinter sich. Nachdem er in der Vorsaison zu den Gestaltern der Bremer Mannschaft gehörte und bei den Fans nach seiner Absage an Juventus Turin endgültig eine gewisse Unantastbarkeit erlangte, lief es 2007-2008 nicht so gut. Nicht nur ihm ist die schwere Knieverletzung mit diversen Rückschlägen in der Reha in Erinnerung geblieben. Bremer Mannschaft und Fans haben Frings' Elan und Siegeswillen an manchen Stellen vermisst. Aber zum Ende der Saison ist er ja wieder fit geworden und hat sich stetig verbessert. Dennoch: Wo sein Leistungsniveau momentan liegt, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall ist der Wille da, endlich einen internationalen Titel zu holen. In einem Interview im Tagesspiegel hat er kürzlich darauf hingewiesen dass man mit ihm während der WM 2006 Italien im Halbfinale geschlagen hätte. Leider war er ja gesperrt aufgrund der Tumulte nach dem Viertelfinale gegen Argentinien. Der Mann hat also auch noch eine Rechnung mit den großen Turnieren offen.





Michael Ballack

Bei Michael Ballack ist es ähnlich. Auch er hatte nach einer sehr langwierigen Verletzung (am Knöchel) er spät in der Meisterschaft in England die Möglichkeit, in das Spielgeschehen einzugreifen. Da war aber schon einer seiner größten Fürsprecher im Team, Trainer Mourinho, von Millionär Abramowitsch geschasst worden, die Mannschaft lag weit hinter Manchester United in der Meisterschaft zurück. Aber Ballack sagte früh: »Wir kommen da noch ran« und war davon überzeugt, sich durchzusetzen. Und er behielt recht - Die Entscheidung in der Meisterschaft wurde noch sehr knapp, er trumpfte im Mittelfeld stark auf und ließ alle Kritiker verstummen. Dennoch reichte es nicht zum Titel, dafür war die Saison schon zu fortgeschritten und Manchester zu abgezockt.
Es schien dann aber lange Zeit zumindest im Champions-League Finale so, als würde sich die Spielzeit für Ballack mit seinem größten Triumph zu einem positiven Ende wenden. Aber im Elfmeterschießen rutschte sein Teamkollege John Terry vom FC Chelsea mit dem Standbein weg - Manchester holte auch diesen Titel. Ballack kennt das. Mit Leverkusen verlor er bereits ein CL Finale, im gleichen Jahr auch Meisterschaft und DFB Pokalfinale kurz vor Schluss. Bei der folgenden WM war er im Finale 2002 gelbgesperrt zum Zusehen verdammt. 2007 wäre er echt mal dran gewesen. Ballack war bester Spieler des Finales, unbestritten. Er steht dennoch mit leeren Händen da. Ballack bleibt einer der großen Unvollendeten. Vielleicht kann er dieses Bild bei der EM wieder geraderücken.



und hier ein ziemlich ausführliches Video mit erstklassiger Musik



Thomas Hitzlsperger

Hitzlsperger, sonst auch eher ein Sportler mit der Ausdauer eines Duracell-Hasen, musste in dieser Post-Meisterschaftssaison mit dem VfB Stuttgart auch mit Verletzungen kämpfen. Als es dann bei ihm wieder lief, stabilisierte sich auch der gesamte VfB. Dennoch: Die Form und Konstanz der Vorsaison konnte »The Hammer« dieses Jahr nicht erreichen. Es ist durchaus denkbar, dass er die durchwachsene Saison im harmonischen Kreis der Nationalmannschaft abhaken kann, um dann bei der EM auf einige Einsätze zu kommen. Für ihn bleibt nur zu hoffen, dass er nicht wieder als Linksverteidiger wie im Testspiel gegen Weißrussland ran muss. Das ist nicht seine Position.

Hier mein Libelingstor von »The Hammer«

In folendem Video wechseln sich Michael Tarnat und Hitzlsperger mit diversen Hammerschüssen ab - leider ist die Musik nicht zu ertragen, also ausmachen.


Simon Rolfes

Wir Bremer Fans sind ja ein wenig traurig, dass Rolfes sein Potenzial in seiner Bremer Zeit nicht so umsetzen konnte wie in den letzten Spielzeiten in Leverkusen. Hier spielt er auf der Sechser-Position, ist aber auch noch deutlich torgefährlicher als Torsten Frings. Da die Rollen im Mittelfeld in der Nationalelf im Mittelfeld auf seiner Position jedoch klar vergeben sind, wird er höchstwahrscheinlich nicht zu langen Einsatzzeiten kommen. Wenn er seine Entwicklung konsequent fortsetzt, wird Fussball-Deutschland auch an ihm noch eine Menge Freude haben.



Tim Borowski

Boro hatte Schnupfen. Oder sogar Grippe? AUf jeden Fall konnte er in der Vorbereitung des DFB auf Mallorca keine Akzente setzen. Dennoch durfte er bleiben, obwohl er im Mittelteil der Saison sowohl bei Werder wie auch in der Nationalelf umstritten war. Nach einer Verletzung kam er nicht so in die Spiele wie früher, mir kam er staksig und nicht engagiert vor. Aber er hat sich wieder rangekämpft und aalen Unkenrufen zum Trotz auch als kommender Bayern-Spieler alles dafür gegeben, Werder im Meisterschaftsrennen, bzw. auf Champions League Kurs zu halten. Sowieso: Die Art, wie sich das Bremer Eigengewächs verabschiedete, hatte Stil. Er hat den Wechsel früh bekannt gegeben (anders als ein gewisser Herr M.K.) und sich wie erwähnt richtig reingehauen. Das wird das Bremer Publikum nicht vergessen. Dass er im DFB-Team bleibt, zeigt die Wertschätzung, die ihm das Trainingsteam entgegenbringt. Ich bin mal gespannt, inwiefern Boro das in Einsatzzeiten umgemünzt bekommt und auf welcher Position wir ihn sehen werden.

Hier noch sein schönes Abschiedstor gegen Hannover


Bastian Schweinsteiger

Er wurde 2006 hochgelobt. Klinsmann mochte den frechen, unverbrauchten Jungspund mit den verrückten Ideen, Tempodribblings, genauen Pässen und dem starken Schuss. Deutschland liebte ihn in Kombination mit Lukas Podolski, die beiden waren Sympathieträger Nummer eins. Spätestens in dieser Saison war der Glanz der WM im eigenen Land verblasst, die beiden wunderschönen Tore im Spiel um Platz drei bei der WM gegen Portugal vergessen. Uli Hoeneß nahm den Spieler weniger unter seine schützenden Fittiche, er kritisierte, er forderte. Nun kann man nicht sagen, das Schweini den Nachweis seiner Klasse schuldig blieb, aber überzeugen konnte er nicht. Er hat seine Unbekümmertheit verloren, das wird auch in einem klasse Interview/Bericht im Zeit Magazin sehr deutlich. Aber deutlich wird halt auch, dass es nicht einfach ist, auf dem Boden zu bleiben und seine Leistungen abzurufen, wenn man unendlich viele Schulterklopfer hat, die von einem auf den anderen Tag auch wieder weg sind und man mit seinen Problemen alleine dasteht. Und ob eine Sozialisation in einem Fußballinternat so förderlich für eine bodenständige Persönlichkeitsentwicklung ist, sei mal dahingestellt.
Wie dem auch sei, Schweinsteiger scheint sich zum Ende der Saison wieder stabilisiert zu haben, auch wenn er bei Löw angeblich nicht mehr so geschätzt wird wie vielleicht 2006. Die Nicht-Aufstellung in dem letzten inoffiziellen Test gegen eine Tessin (Schweiz) - Auswahl soll da ja so eine Art Warnsignal gewesen sein. Wir werden sehen, ob er genug Biss hat, zu einem ganz großen zu werden.



David Odonkor

David Odonkor wird ja gerne auf seine Sprinterqualitäten reduziert. Wie ich finde, zurecht. Aber er hat sich immerhin getraut, früh den Schritt aus der Bundesliga in eine andere internationale Spielklasse - die spanische Primera Division - zu machen. Und dort hat er sich in seinem zweiten Jahr richtig gut durchgesetzt. Betis Sevilla, in den letzten Jahren auch eher ein trauriges Negativ der eigenen Erwartungen, hat sich zumindest im letzten Saisondrittel wieder ganz gut verkauft, Odonkor gehörte zum Stamm. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass ihm die Neulinge des Löw'schen Casting-Konzeptes am nähesten gekommen sind. Das er sich in dieser weiteren Drucksituation empfehlen konnte, spricht für ihn. Ich freue mich auf seine Einwechslungen, wenn er dann nochmal in vermeintlich statische Spiele ein wenig Feuer bringt.





Piotr Trochowski

Was soll ich sagen, der Mann ist schon irgendwie eine Bombe: Hammerschuss, Spielverständnis, Ballsicherheit, Schnelligkeit und auch noch irgendwie sympatisch. Aber: Es bleibt nicht viel zählbares zurück. In Hamburg hatte er unter Stevens immer mal wieder Spiele, konnte sich aber nicht etablieren. Ich habe immer den Eindruck, der spielt ein wenig gehemmt. Vielleicht löst sich ja mal bei ihm der Knoten. Ich denke, dann kann er eine Menge positives bewegen. Ob er aber als Impulsgeber nach einer Einwechslung in einem großen Turnier funktionieren kann, bezweifle ich an dieser Stelle.



Hier noch einmal das ganze Mittelfeld in einem Filmchen zusammengefasst:

1 Kommentar:

jensen hat gesagt…

Der Text aus dem Magazin der Zeit ist wirklich RICHTIG gut. Komme gerade vom Lesen zurück und bin ziemlich beeindruckt, in welcher Ausführlichkeit und mit welcher Qualität hier die Situation des Herrn Schweini seziert wird. Unbedingt lesen, solch' guten Stücken aus dem Bereich Sportjournalismus läuft man nicht gerade oft über den Weg.